„Heuer wollen wir es nochmal wissen!“ – Josef Menzl

Die Kapelle Josef Menzl erntete letztes Jahr als Band des neuen Bräurosl Zelts einen Shitstorm, weil sie Blasmusik statt Ballermann spielte. Josef Menzl holte daraufhin die befreundete Band „Erwin und die Heckflossen“ zu Hilfe, die ab Tag 4 das Abendprogramm übernahm. Lange Zeit war unklar, ob Wirt und Band 2023 wieder auf der Wiesn dabei sein können. Jetzt treten beide noch mal an. Wir haben Josef Menzl exklusiv für Euch interviewt.

Nach dem Eklat letztes Jahr spielt ihr heuer wieder im Bräurosl Zelt. Mit welchem Gefühl geht ihr in die neue Wiesn-Runde?

Mit einem viel besseren! Das Konzept ist so, wie wir es letztes Jahr ab dem ersten Mittwoch gehabt haben. Dass wir bis um 7 abends spielen, und dann kommt die Stimmungs-Band „Erwin und die Heckflossen“. Das erlaubt uns einfach, dass wir unser Programm besser einteilen können. Und so hat es dann auch letztes Jahr funktioniert.

Da gab es ja leichte Anfangsschwierigkeiten…

Der erste Tag war der schlimmste. In der Früh um 8 Uhr trifft man sich zum Weißwurstfrühstück. Dann wird vom Donisl Wirtshaus rausmarschiert übers Sendlinger Tor bis zur Wiesn. Wenn man dort ankommt, ist man schon komplett fertig. Und dann muss man nochmal fast 11 Stunden spielen. Das ist für Blaskapellen wesentlich härter als für andere Bands. Außerdem hat am Anfang die Anlage nicht richtig funktioniert. Letztes Jahr hat jeder alles zum ersten Mal gemacht. Heuer schauen wir und auch Wirt Peter Reichert, dass alles von Anfang an passt. Wir haben viel aus unseren Fehlern gelernt. So wollten wir es nicht stehen lassen. Heuer wollen wir es nochmal wissen!

Habt ihr nach dem ganzen Shitstorm mit dem Gedanken gespielt, nicht mehr anzutreten und die Bräurosl wieder den üblichen Party-Bands zu überlassen?

Wie ich heimgefahren bin nach der Wiesn letztes Jahr, hab‘ ich gedacht, ich mach es nicht mehr. Aber jetzt hatten wir so viel Zuspruch von unseren Fans und von verschiedensten Leuten. Die haben gesagt, jetzt könnt ihr doch nicht den Schwanz einziehen, jetzt haben wir Euch so unterstützt. Macht es doch noch mal!

Haben Euch die teils sehr negativen Reaktionen während der Wiesn verwundert?

Ja erst schon, weil wir es nicht verstanden haben. Wir haben schon gedacht, dass man das Zelt wahrscheinlich erst mal leer spielen muss und dann kommen andere, die uns kennen oder unsere Musik verstehen. Es war ein komplett neues Musik-Konzept und das haben viele Gäste nicht gewusst, das war schlecht kommuniziert. Und die können dann ja nicht einfach das Zelt wechseln, wenn sie Reservierungen haben. Die Leute waren es nicht gewohnt, dass man Blasmusik spielt. 30 Jahre wurden ihnen in der Bräurosl Schlager vorgespielt. Wir haben uns aber nicht gedacht, dass es so ein Problem ist, auf einem bayerischen Volksfest überwiegend traditionelle Musik zu spielen. Ich hab‘ gedacht, das g‘hört so.

Auf der Oidn Wiesn spielen ja auch schon lange bayerische Bands teils sehr traditionelle Musik. Da fragt man sich, wie viel Tradition verträgt die „große“ Wiesn?

Die Wiesn ist das größte Volksfest der Welt. In 60 Ländern gibt es ein Oktoberfest und hier in München ist das Original. Und da könnte man doch zeigen, wie das Original ist oder sein sollte. Wir müssen uns doch unterscheiden von der Cannstatter Wasen oder vom Hamburger Dom. Es gibt nirgends so prachtvollen Trachten wie in München. Mit den Rössern fahren’s die Holzfässer raus. Alle haben Tracht an. Und bei der Musik soll die Tradition aufhören? Die Musik soll so sein wie am Ballermann. Es gibt Festwirte, die machen die Ansage, dass die Leute stehen sollen, weil sie dann mehr trinken. Da wird gemessen, bei welchem Lied wie viel Hektoliter laufen. Da mach ich halt nicht mit. Dann kann man gleich die Bänke raus tun und einen DJ reinstellen und die Leute können tanzen wie beim Rockkonzert.

Habt ihr Euch da ein bisschen allein gelassen gefühlt von der Wiesn-Leitung und der Stadt München? Da geht’s ja auch um das Image der Wiesn…

Ja die Frage ist, wo wollen wir eigentlich hin? Und die Stadt München könnte das auch mittragen. Wenn das Geld rieselt, dann wird die Hand aufgehalten, da wird weggeschaut, ob das Tradition ist oder nicht. Aber eigentlich ist die Stadt ja kein Bierverkäufer. Sondern sie verkauft ein Image. Wenn ich nach New Orleans fahre und dort ist Mardi Gras, dann muss ich damit rechnen, dass dort Jazz gespielt wird. Wenn ich nach Irland fahre, dann muss ich damit rechnen, dass dort Folk gespielt wird. Und wenn ich nach München fahre auf ein bayerisches Volksfest, dann muss ich doch damit rechnen, dass dort Blasmusik gespielt wird.

Aber es ist ja auch keine Blasmusik im ganz klassischen Sinn. Wie würdest du Eure Musik beschreiben?

Ich hab‘s ein bisschen anders arrangiert. Progressive Blasmusik, würd‘ ich sagen. Früher vor 27 Jahren haben wir nur Oberpfälzer Wirtshausmusik gespielt. Mit Zwiefachen und so. Tanzboden. Jetzt haben wir das schon ausgeweitet. Blasmusik aus dem gesamten bayerischen Raum und aus Österreich. Dann kommen noch Sachen dazu aus New Orleans. Oder von den Beatles. Rock- und Pop-Klassiker, die uns gefallen. Aber in erster Linie ist es schon Blasmusik. Man muss aber auch unterscheiden, zwischen der Wiesn-Besetzung und der Josef Menzl Kapelle. Auf der Wiesn spielen wir fast mit doppelt so vielen Leuten. Da können wir auch Queen spielen. Die Leute wollen auch mehr Action. Für viele Zuhörer ist ausschließlich Volksmusik oder Blasmusik einfach zu langweilig.

Auf Eurer Website steht „Bekannt trotz Film und Fernsehen“. Hat Euch der Wirbel letztes Jahr geschadet oder seid ihr dadurch noch bekannter geworden über die Grenzen Bayerns hinaus?

Ja wir sind jetzt schon sehr bekannt geworden. Wir sind zum Beispiel angeschrieben worden vom deutschen Haus in New Orleans, ob wir dort ein Konzert geben wollen. Oder vom Oktoberfest in Blumenau in Brasilien. Es war schon der Wahnsinn. In der Presse kam kein Krieg und keine Energiekrise mehr vor, sondern nur noch Menzl und Oktoberfest. Es kann jetzt einfach keiner mehr sagen, dass er nicht weiß, was wir machen.

Es gibt viele junge bayerische Bands, die den Hype um Volksmusik befeuern. Es gibt eigene Festivals wie die Brass Wiesn oder das Woodstock der Blasmusik. Ihr seid da sicherlich auch ein Vorreiter gewesen…

Man hat ein bisschen Bewusstsein gekriegt für Heimat. Wie ich aufgewachsen bin, da war alles cool, was aus Amerika kam: Michael Jackson, Madonna, Coca Cola, Mc Donalds. Heute stehen die Leute auf Tradition. Landwirtschaft ist wieder im Kommen. Die Jungbauern finden das cool, fahren mit dem Bulldog auf die Brass Wiesn. Und haben Lederhosen an. Vor 40 Jahren hat keiner Tracht getragen am Oktoberfest. Nur die Trachtler vom Trachtenverein. Heute ist das Bayerische in. Man sieht Burschen in der Stadt mit Lederhose, weißen Turnschuhen und T-Shirt. Dann die Eberhofer Krimis. Die Waldfeste am Tegernsee. Und die ganzen neuen Wirtshäuser in München mit ein bisschen Pop dabei. Bei der bayerischen Blasmusik muss man auch immer schauen, dass das interessant klingt. Wir probieren viel aus. Ständig ändert sich der Sound und das Programm. Die ursprünglichen Sachen wie Rehragout, die behalten wir natürlich bei. Damit kann man auch einen Riesenspaß haben.

Habt ihr euer Repertoire der Bräurosl angepasst? Wie weit könnt oder wollt ihr da gehen?

Das ist eine schwierige Gratwanderung, dass man das hinkriegt. Dass es für den Wirt, für die Band und für die Gäste gut ist. Und das haben wir uns für heuer vorgenommen, ohne dass wir unsere Würde verlieren. Es gibt keine gute und keine schlechte Musik. Es gibt nur gut oder schlecht gemachte Musik. Am Gay Sunday, wenn wir Heidi spielen, da geht’s voll ab. Das ist saulustig. Und dann spielen wir YMCA. Das ist wesentlich leichter zu spielen als Rehragout. Blasmusik ist sehr komplex. Die ist eher mit der klassischen Musik vergleichbar. Hulapalu ist dagegen ein Kinderlied. Hänschen Klein vom musikalischen Niveau her. Ich möchte das gscheid machen. Ich möchte, dass jeder erkennt, dass das einen Anspruch hat. Letztes Jahr war der weltbekannte Tenor Jonas Kaufmann da. Der hat gesagt, was ist überhaupt los, ihr spielt doch super. Das hat mich natürlich sehr gefreut.

Viele verteufeln die Wiesn als Mega-Party und bayerischen Ballermann. Wie stehst du persönlich zur Wiesn?

Ich fand, dass die Wiesn immer eines der traditionellsten Volksfeste war. Nirgends wird so viel Wert auf Tradition gelegt. Und wenn man dann die Musik hört, da merkt man nicht, dass man in München auf dem Oktoberfest ist. Das könnte genauso gut in Stuttgart oder irgendwo anders sein. Da müsste ein bisschen mehr Bewusstsein her. Ich will hier nicht der Volksmusik-Diktator sein. Ich hab‘ ja selber keine Lust, den ganzen Abend nur eine Musikrichtung zu spielen. Ich wurde neugierig, als ich gehört habe, dass die Brauerei ein neues Bräurosl Zelt baut mit dem neuen Wirt Peter Reichert, der für Tradition steht und für Kultur und ein Erzvolksmusikant ist, ein Trompeter und Komponist, der mindestens 50 Stücke komponiert hat, eines schöner als das andere. Die Bräurosl ist das älteste Zelt, das es gibt auf der Wiesn, seit 1901. Eine Wahnsinns-Tradition. Da dachte ich mir: Da will ich auch dabei sein! Auf der Oidn Wiesn haben sie uns gefeiert wie die Helden. Wieso hätten da weggehen sollen? Aber mich hat das gereizt. Ich hab‘ gedacht, wir könnten da was bewegen nach zwei Jahren Coronapause, mit neuem Zelt, neuem Wirt, neuer Musik.

Und jetzt bekommt ihr eine zweite Chance. Wird es diesmal funktionieren?

Wir haben ein Repertoire von 400 Nummern. Und dann kommen noch 100-150 Lieder dazu, die wir mit der Wiesn Besetzung spielen. Da sind wir gerade am Arbeiten und Überarbeiten. Wir haben auch Stücke dazu genommen aus dem Rock- und Pop-Bereich. Stücke, die uns auch Spaß machen. Aber bei „Hände zum Himmel“ flippen einfach alle aus. Das müssen wir machen und das ist für uns auch kein Problem. Wenn dann alle glücklich sind danach. Die Leute wollen einfach auch feiern. Man muss verstehen, die gehen das ganze Jahr in die Arbeit und die wollen dann auf der Wiesn mal die Sau rauslassen. Für die muss man auch was dabeihaben. Ich will das nicht verurteilen. Ich hoffe nur, dass durch den Shitstorm letztes Jahr und die ganze Aufmerksamkeit jetzt jeder weiß, was es geschlagen hat. Und jetzt verläuft sich hoffentlich niemand mehr.

Das Gespräch führte Sonja Ragaller / Hier gehts zum Almliebe-Magazin!