4 ALMLIEBE er kam vom berg, spielte und siegte Almliebe-Talk: Der Ausnahme-Musiker Herbert Pixner im Interview Er steht wie kein anderer für die radikale Erneuerung der Volksmusik und die Wiederbelebung der Steirischen Harmonika: Herbert Pixner. Zwischen Konzerten und Festivals, Ton-Aufnahmen und musikalischen Experimenten erdet sich der umtriebige Südtiroler dort, wo er herkommt, am Berg. Mehrere Jahre verbrachte er die Sommer als Senner auf der Alm. Dort, aber auch unten in den Tälern und Städten in Österreich, der Schweiz und Deutschland wird er gefeiert für seine moderne Interpretation der alpenländischen Klänge. Du bist auf einem Bergbauernhof in Passeier in Südtirol aufgewachsen. Wie muss man sich Deine Kindheit dort vorstellen? Ich bin zusammen mit fünf Geschwistern in sehr bescheidenen Verhält- nissen aufgewachsen. Auf einem Bergbauernhof mussten wir als Kinder bereits ziemlich früh auf dem Feld, im Stall und auf der Alm mit anpacken. Heute bin ich froh darüber, die alten Arbeitstechniken wie z. B. das Mähen mit der Sense, Kühe von Hand melken und viele andere traditionelle bäuer- liche Arbeiten schon als Kind erlernt zu haben. Wie war Deine erste Begegnung mit Musik und wie haben Dich Deine frühen musikalischen Jahre geprägt? Mein Vater spielt Akkordeon und damals auch Klarinette und Tenorhorn bei der örtlichen Musikkapelle. Im Winter übte er – meistens am Sonntag – da- heim auf dem Diwan. Das sind meine ersten musikalischen Erinnerungen. Hattest Du gleich eine neue Idee der alten Musik im Kopf oder hat sich Dein moderner Ansatz erst im Laufe der Jahre entwickelt? Ich habe zwar bereits als Kind alle möglichen Musikrichtungen gehört, aber ein eigener Stil kann sich erst über die Jahre entwickeln. „Die einen verteufelten uns als Volksmusik-Verschandler, die anderen wiederum waren begeistert.“ Ich werde nie vergessen, wie wir 2006 auf der Gompmalm unweit Deiner Heimat zum ersten Mal Deine Musik gehört haben. Wir waren spontan begeistert. Wie waren sonst die Reaktionen auf Deine musikalischen Anfänge? Und wie lange hat es gedauert, Dich als Musiker zu etablieren? 2006 gab es bereits unser erstes Album als Herbert Pixner Projekt, die Entscheidung mit den eigenen Stücken Konzerte zu spielen kam allerdings erst 2009. Vorher spielten wir querbeet alles was uns angeboten wurde. Rückwirkend betrachtet war diese Zeit sehr wichtig, da wir alles vor Publikum ausprobieren konnten. Die Reaktionen auf die eigenen Stücke waren damals noch zweigeteilt. Die einen verteufelten uns als „Volks- musik-Verschandler“, die anderen wiederum waren begeistert von unserer eigenen Art zu musizieren. Ich ließ mich von Ersteren aber nie aus dem Konzept bringen. Wie beschreibst Du selbst Deine Art von Musik? Oder bist Du viel zu vielseitig und individuell, um in eine einzige Schublade zu pas- sen? Es ist nicht wichtig, in welcher Stilrichtung und mit welchem Instrument man etwas spielt. Wichtig ist, wie man etwas spielt. Alles andere ist für mich nebensächlich. Welche Art von Musik begeistert Dich neben deiner eigenen? Ich kann mich für alles begeistern, bis auf Schlager und Volksdümmliches. Bist du stolz darauf, dass Du mit Deiner Musik viele junge Leute inspiriert hast und Vorreiter einer neuen, modernen Volksmusik-Kultur geworden bist? Ich freue mich sehr, Vorbild für viele junge Musiker zu sein. Als Vorreiter einer neuen Volksmusik-Kultur sehe ich mich allerdings nicht. „Ich freue mich sehr, Vorbild für viele junge Musiker zu sein.“ Die Musik der Berge trägst Du in Dir, die Tracht dazu sieht man eigentlich nie an Dir. Gibt es einen Grund dafür, dass Du Style-mäßig Deinen eigenen Stil pflegst? Ich trage sowohl privat als auch auf der Bühne ausschließlich Gewand, in dem ich mich wohl fühle. Dabei versuche ich bewusst bei Schneiderinnen, Labels und Designern einzukaufen, die nachhaltig produzieren und trage die Sachen meist so lange, bis sie sich von selbst auflösen (lacht). In Klei- dung, die heute als „Tracht“ bezeichnet wird, fühle ich mich nicht so wohl. Wenn, dann gerne einen schönen dreiteiligen alten Lodenanzug, so wie ihn früher die Bauern am Sonntag getragen haben. Was bedeutet es heute für Dich in den Bergen zu sein? Ich bin in den Bergen aufgewachsen und bis heute beinahe täglich davon umgeben. Ich mag die Berge sehr. Ganz besonders die Orte in den Bergen, die noch nicht zu einem Alpen-Disneyland umfunktioniert worden sind. Die Ruhe, die Kraft und Archaik im Hochgebirge hat für mich eine ganz besondere Mystik.