Der den Teufel schwindlig spielt…

Der den Teufel schwindlig spielt

Der Südtiroler Herbert Pixner, der „Paganini der Knopfziach“, schlägt Brücken zwischen Jazz, Blues, Latin und alpenländischer Volksmusik.

Der melancholische Blueser Brandner stirbt während eines Konzerts auf der Bühne. Als ihn der Boandlkramer nicht zum Mitgehen bewegen kann, macht ihm der Teufel ein verdammt verlockendes Angebot: Er darf ewig weiterleben, solange er kommerzielle Volksmusik für ein breites Publikum spielt.

Das Schauspiel-Debüt des Ausnahme-Musikers Herbert Pixner in dem schwarzhumorigen „Bluesical – Stirb langsam, Brandner!“  lässt am Ende durchaus Schlüsse auf seine musikalische Einstellung zu. Freilich kommt der sympathische Südtiroler, der wohl wie kaum ein anderer zwischen Passeiertal und Werdenfelser Land die steirische Harmonika so virtuos beherrscht, von der traditionellen Volksmusik, aber

während unzähligen langen Sommern auf abgeschiedenen Almen in der Schweiz, Südtirol und Österreich hat der Autodidakt seinen eigenen Stil gefunden, zwischen Blues, Jazz , lateinamerikanischen Rhythmen, Balkan-Beat und Landler.

Man könnt auch sagen, dass ihm sein Instrument, die „Ziach“, den Weg gewiesen hat. „Die diatonische Harmonika ist auf vier Tonarten festgelegt und dadurch sehr beschränkt“, sagt Pixner. „Sie ist super zum Landler spielen, wird aber kaum für Blues-Musik verwendet. Und so hab ich halt meine Musik dem Instrument angepasst.“ Was wiederum den Ausrichtern von Volksmusik-Abenden und Nachwuchswettbewerben in seiner Heimat zwischen Sterzing und Bozen nicht recht gepasst hat. Zumindest vor zehn Jahren. Da sind zwar seine Vorbilder Hubert von Goisern, Haindling und Biermöslblosn schon ordentlich aus der Reihe der volkstümlichen Unterhaltungsmusiker getanzt. Trotzdem hat der Moik mit seinem Stadl alles überstrahlt und dem jungen Pixner höchstens Auftritte nach Mitternacht beschert, wenn eh keiner mehr so richtig zugehört hat.

Geschert hat er sich nie drum, weil er sowieso lieber auf kleinen Bühnen spielt, wo man das Publikum spürt. Ob das auf der Alm ist oder in Colorado, wo er mal drei Monate als Barmusiker gespielt und dafür sein Musikstudium geschmissen hat. Seine Eltern, die auf 1800 Metern einen Bergbauernhof in Südtirol betreiben, waren eh nie recht dafür, dass da Bua so eine brotlose Kunst betreibt, statt Geld zu verdienen. Und das obwohl der Vater selbst die Musik im Blut und das chromatische Knopfakkordeon oft um die Schultern hat.

Stur, wie die Leut im Passeiertal halt sind, hat er seine Sache durchgezogen, die Musik aufgesaugt und bei jeder Gelegenheit, in Wirtshäusern und Autobahnraststätten, zu jeder Tages- und Nachtzeit wie ein Besessener gespielt. Nach Gehör, nach Musikkassetten, nach der Griffschrift. Meistens die Steirische, auch wenn er Klarinette, Trompete, Tuba, Gitarre und Schlagzeug ebenso beherrscht. Hat sich mit Jobs als Radiomoderator  oder als Kreuzfahrt-Musiker durchgeschlagen, immer mit der Angst vor dem Finanzamt im Genick. Als er seine jetzigen Partner die Harfinistin Karin Aschaber und Werner Unterlercher am Kontrabass getroffen und das Herbert Pixner Projekt ins Leben gerufen hat, war er zwar immer noch klamm, aber schon reich an eigenen Liedern, die sich an fremden Musikkulturen inspirieren aber nie den eigenen Ursprung verleugnen. Wie denn auch, schreibt er doch die meisten Stücke hoch droben am Berg, völlig losgelöst von Außenwelt und Ablenkung, mit der Natur und seinem Instrument vom eigenwilligen, südsteirischen Harmonika-Bauer Jamnik im Einklang.

Da oben jenseits der Baumgrenze muss er es schon früh gespürt haben, dass sich der Wind auf einmal dreht und ihm statt ins Gesicht in den Rücken bläst. Denn auf einmal öffnen sich Türen für die neue Volksmusik, wie Pixner sie nennt, an die er sich gar nicht denken getraut hat, vom Lustspielhaus in München über das Stadttheater in Meran bis zum Schloß Elmau, von klassischen Konzerten bis hin zu hochkarätigen Weltmusikreihen. Als Vorreiter der jungen, experimentellen Alpenmusik sieht er sich nicht, aber gut aufgehoben in der Szene, die immer größer und facettenreicher wird: „Es gibt mittlerweile drei Äste innerhalb der Volksmusik: den ganz traditionellen, den experimentellen der jungen Wilden und die volkstümliche Schlagerszene. Trotz Globalisierung, Facebook und Co. brauchen die Leute anscheinend doch was Regionales.“ Pixner verbindet beides auf seinen progressiven und doch sehr ursprünglichen CDs „Blus’n Auf!“ und „Bauern-Tschäss“. Fürchten tut er sich nicht, wie damals Hubert von Goisern, in eine Schiene gepresst zu werden. Dafür ist er zu vielseitig, zu umtriebig, zu genial bodenständig. „Vielleicht mache ich auch mal was ganz Schräges, was Elektronisches. Und wenn nix mehr zu spielen ist, dann geh ich halt wieder auf die Alm.“

Was dem Vollblutmusiker gegen den Strich geht ist, dass mittlerweile viele Gruppen nicht mehr authentisch sind und trotzdem auf den Alpen-Zug aufspringen. Was ihm dagegen imponiert ist, dass man heute Dialekt reden, stolz seine Lederhose tragen und trotzdem in New York auftreten kann. Was er noch nicht macht, weil er wie gesagt lieber auf kleinen Bühnen in Südtirol, Österreich und Bayern auftritt. Und zwar unermüdlich auf 120 Konzerten in diesem Jahr. Ganz nebenbei realisiert er noch seine eigenen Projekte wie Kompositionen für Kabarett und Theater, die CD „Alpenrosen“ mit dem Saxophonisten Maximilian Geller oder seine Solo-CD, die im nächsten Sommer herauskommt und für die er alle Instrumente selbst einspielt. Alles in Eigenregie, weil er sich nicht dem Teufel, also den großen Plattenlabels, verschreiben will. Dann lieber weiter improvisieren – und sterben. Aber solange sämtliche Musiker aus dem Alpenraum den Hut vor ihm ziehen und seine Stücke nachspielen, müssen sich Boandlkramer und Lucifer wohl noch eine Zeit lang gedulden.

Sonja Ragaller

Artikel erschienen in der Muh 4 – Magazin für bayerische Aspekte – 2011

www.muh.by

www.herbert-pixner.com