Der Porsche unter den Lederhosen

Plötzlich ist eine ohnmächtig geworden. Im Zuschneide-Lager der Traditionsfirma Meindl in Kirchanschöring am Waginger See. Sie riechen halt schon speziell, all die Tier- bzw. Lederhäute, die hier in der oberbayerischen Manufaktur tagtäglich zur Kontrolle und Weiterverarbeitung angeliefert werden. In der Ecke steht ein Sack mit der Beschriftung “Hirschköpfe”…. und man mag sich gar nicht recht vorstellen, was sich darin verbirgt. Meindl-Vertriebsmann und alter Hase Uwe Vogt erklärt uns gerade, dass keines der Tiere wegen des Leders geschossen wurde und dass die Einschusslöcher entweder rausgeschnitten oder mit Flicken hinterlegt werden. Bei kleineren “Löchern” im Leder handelt es sich meist um Narben oder Insekten und Parasiten-Befall. Die besten Hirschen kommen aus den dichten Wäldern Neuseelands…

Der Porsche unter den Lederhosen

In Neuseeland gibt es zum Beispiel keine Dasselfliegen und keine Zecken. Das Leder ist am cleansten und saubersten und somit am hochwertigsten. Wobei der Hirsch in puncto Qualität
ohnehin an erster Stelle steht bei der Lederhosen-Produktion, dann kommt das Reh, die Gams und die Ziege. “Unter 800 Euro kann es keine gescheite Hirschlederhose geben”, erklärt Vogt. Wobei die Haut an sich noch wertlos ist. Erst die Gerb- und Konservierungsverfahren machen den Unterschied.

Der Porsche unter den Lederhosen

Meindl arbeitet seit Jahrzehnten überwiegend mit traditionellen Gerbereien in Österreich und Tschechien zusammen, die sich auf die sämische Gerbung spezialisiert haben. Die gesäuberte
Hirsch-Haut wird dabei mit Fischöl eingewalkt, eine Woche lang an der Luft aufgehängt, mit Sodawasser ausgewaschen, getrocknet und weich gemacht. Gefärbt werden die Tierhäute ausschließlich mit dem natürlichen Blauholzextrakt, das fünf bis sieben Mal aufgespritzt oder ins Leder eingebürstet wird. 6-8 Wochen dauert der gesamte Vorgang im Unterschied zur einfacheren Chromfärbung, die überwiegend bei der Verarbeitung von ZIegenleder angewandt wird. Die sämisch gegerbte Hirschlederhose hat eine offenere Struktur, transportiert Feuchtigkeit
besser, ist temperaturregulierend, haltbarer und bequemer. Erkennen kann man die hochwertige Hirschlederhose an der dicken Naht bzw. an der gelben Rückseite bei einer sämisch gegerbten Hose.

Der Porsche unter den Lederhosen

Nach einem Rundgang durch alle Abteilungen vom Design, über die eigene Schnittabteilung, durch die Qualitätskontrolle, Zuschnitt und schliesslich Produktion wird einem klar, warum eine Hirschlederhose von Meindl ab 1000 Euro aufwärts kostet, ja kosten muss. Nicht alle Hosen werden in der Zentrale in Oberbayern mit ca. 80 Mitarbeitern gefertigt. Meindl arbeitet seit
Jahrzehnten überwiegend mit Betrieben in Ungarn zusammen. Aber in Kirchanschöring schlägt weiterhin das Herz des Traditionsbetriebes, der seit 1683 eingetragen ist. Senior Hannes Meindl, der heute noch im Betrieb und für viele Stick-Motive verantwortlich ist, war es, der die Richtung Lederhosen und Lederbekleidung eingeschlagen hat. Seine Brüder Lukas und Lars Meindl führen
heute in einer eigenen Firma das alte Schuhmacher-Handwerk der Familie weiter. Das Werk mit ca. 200 Mitarbeitern befindet sich nur fünf Minuten entfernt am Ortsrand von Kirchanschöring.

Hannes Sohn Markus hat das Faible für Bekleidung und Kreativität geerbt. Nicht nur traditionelle Lederhosen hat er in seinem Sortiment. Allein ca. 70 Damenlederjacken entwirft er zusammen mit seinem Design-Team jede Saison für die großen internationalen Modemessen in Florenz und Berlin. Zudem beliefert er große Autofirmen wie BMW und Porsche zum Beispiel mit Rennanzügen und die bayerische Polizei mit Reithosen aus Leder. Trotzdem ist die Lederhose das Herzstück von Meindl Fashion geblieben. Heute gibt es in der Zentrale zwar keine 70 Handstickerinnen mehr wie früher. Die Hosen werden überwiegend von Maschinen bestickt. Eine Näherin in der Produktionsabteilung zeigt uns aber, warum sie zusätzlich bis zu zwei Tage mit
manchen Stickereien beschäftigt ist. Jeden Faden muss sie einzeln nach hinten ziehen und verknüpfen. Bei der plastischen Relief-Stickerei (im Gegensatz zur Platt-Stickerei) muss sie per Hand Fäden in die Kammern schiessen, um den 3D-Effekt zu erzielen. Viel Handarbeit, viel Know-How. Steckt im Porsche untern den Lederhosen.