Mama Bavaria nimmt die Frauenquote selbst in die Hand

Luise Kinsehers neues Kabarett-Talk-Format „dreizueins“ startet am 9. Dezember um 21 Uhr im BR Fernsehen

Foto: Nils Schwarz

Frau Kinseher, wenn man sich Ihren Lebenslauf so anschaut, dann scheinen Sie ungewöhnlich zielstrebig auf den Beruf der Kabarettistin zugesteuert zu sein. Kann man so eine Karriere auf der Bühne planen?
Das schaut nur so aus. Germanistik hab‘ ich studiert, weil ich immer gerne gelesen hab. Aber ich hab‘ lang nicht gewusst, was ich beruflich machen will. Während des Studiums in München hab‘ ich im Fraunhofer Theater bedient. Und dort bin ich zum ersten Mal in Berührung gekommen mit Kabarett und mit Sigi Zimmerschied. Aber dann sind viele glückliche Fügungen und vielerlei Aspekte zusammengekommen, die mich dahin gebracht haben, wo ich heute stehe.

War Sigi Zimmerschied von da an eine Leitfigur, ein Vorbild für Sie? Sie haben ja sogar ihre Magisterarbeit über ihn geschrieben…
Zimmerschied ist natürlich eine sehr wichtige Figur, vor allem in der bayerischen Kabarett-Szene. Er war nie Mainstream, immer streitbar, hat immer neue Wege beschritten. Er ist ein Künstler, die sich auch nie ausruht auf seinem Erfolg. Er hat so eine Absolutheit, eine Unbedingtheit. Er muss das einfach machen. Und das ist bei mir auch so. Insofern war er sicher ein Vorbild, ja.

Liegt den Niederbayern das Kabarett im Blut? Zimmerschied ist ja Niederbayer, Bruno Jonas, Ottfried Fischer und auch Sie sind in Geiselhöring aufgewachsen….
Die Gegend, wo ich aufgewachsen bin, hat mit Kabarett nicht viel zu tun. Bei Jonas und Zimmerschied war das anders. Das war eine Generation vor mir. Und in den 70ern und 80ern war Revoltieren ja in Mode, es gab auch viel Grund zu rebellieren. Gerade in Passau gab es enge Verflechtungen zwischen CSU und Kirche, der Dom hat die jungen Leute fast erdrückt dort. Dann haben sie angefangen, was zu machen, Strukturen aufzubrechen. Und das hat funktioniert. Bei mir war das nicht so, ich musste nicht ausbrechen.

Aber ist es dann der ganz eigene Humor, der die niederbayerischen Kabarettisten so erfolgreich macht?
Der Dialekt bringt einen gewissen Humor mit ins Kabarett, und das ist auch gut so. Vielleicht ist es auch eine gewisse Lust an der Theatralik wie sie in der katholischen Messe zelebriert wird. Der Niederbayer ist außerdem dafür bekannt, dass er drei Mal ums Eck denkt und eine gewisse Wortkargheit mit sich bringt. Der Humor ist dann sehr trocken und unvermittelt. Gerade im Solo- Kabarett ist es so, dass sich die Persönlichkeit nicht trennen lässt vom Programm. Insofern spielt die Herkunft immer auch eine Rolle.

Waren Sie auch schon als Kind so lustig? Ich hab‘ schon öfter Geschichten erzählt am Gymnasium, war aber ansonsten eher schüchtern. Ich wollte eigentlich gern in die Theatergruppe, aber es hat mich halt keiner gefragt. Das Zurückhaltende war eher anerzogen. Das Selbstbewusstsein ist erst mit der Zeit gewachsen. Ich hatte viele Selbstzweifel und habe immer wieder hart an mir selbst gearbeitet. Jetzt haut mich einfach so schnell nix mehr um nach 30 Jahren Bühnenerfahrung.

Aber wie wird man als schüchternes Mädel von Land dann zur gefeierten, ausgezeichneten Kabarettistin?
Es gab von Anfang an wichtige Personen in meiner Karriere. Reinhold von Grafenstein hatte einen Theaterverlag. Dort hab‘ ich als junge Studentin ein Praktikum gemacht. Er hat das Talent erkannt, das irgendwo in mir schlummerte und war fortan ein wichtiger Mentor und Förderer. Dann natürlich Georg Maier von der Iberl-Bühne, der mich als völlig unerfahrene Person vom Fleck weg als Schauspielerin engagierte. Und nicht zu vergessen Regisseur Franz Xaver Bogner, der mir die Fernsehwelt eröffnet hat.

Foto: Martina Bogdahn

Wo liegt eher Ihr Herzblut? In der Schauspielerei oder im Kabarett? Ich brenne immer für das, was ich gerade mache. Aber ich liebe das Kabarett, liebe es, mich selbst einzubringen.

War die Rolle als „Mama Bavaria“ am Nockherberg auch für Sie persönlich das Highlight Ihrer bisherigen Karriere?
Es war eine sehr wichtige und bedeutende Aufgabe, die mich sehr gefordert hat und bei der ich viel gelernt habe. Sie hat mich sehr prominent gemacht, davon profitiere ich auch heute noch.

Haben Sie schon immer gern Leute derbleckt? Oh ja, Frotzeln liegt mir schon im Blut. Aber ich frotzel auch über mich selbst und immer mit einem liebevollen Blick. Am Nockherberg geht es auch immer darum, wer gibt am meisten her. Das war mit Sicherheit Hubert Aiwanger. Aber auch die Auseinandersetzungen zwischen Seehofer und Söder waren sehr ergiebig.

Auch in Ihrem neuen Programm im BR „dreizueins“ steht Kabarett im Vordergrund. In einer Almhütte empfangen Sie Gäste aus der Szene. War das Format Ihre Idee?
Das Format ist jetzt keine Neuerfindung. Im Grunde ist es ein bisschen so wie Ottis Schlachthof früher – nur mit mir als Gastgeberin. Und dass wir Themenschwerpunkte haben, wie in der ersten Sendung die Digitalisierung mit all ihren Auswirkungen auf Partnersuche, unser Konsumverhalten und so weiter. Die Alm als Location und Kulisse hat auch eine Bedeutung. Früher hat man die Frauen ungern auf die Alm geschickt. Dort waren sie weit weg von sozialer und von kirchlicher Kontrolle. In manchen Gegenden musste der Pfarrer sogar ein Zeugnis ausstellen, dass es anständige Mädl waren, die als Sennerin auf die Alm durften. Insofern war und ist die Alm für uns Frauen ein Ort der Freiheit.

Geballte Frauenpower: In „drei zu eins“ verbindet die vielfach ausgezeichnete Kabarettistin Luise Kinseher unterhaltsame Kabarett-Nummern und Stand-up-Comedy mit spritziger Talk-Atmosphäre. Das Besondere: Das neue Format ist von Frauen dominiert – Kinseher empfängt pro Sendung zwei Kabarettistinnen und einen männlichen Überraschungsgast im Ambiente einer Almhütte. Foto: BR / Markus Konvalin

Die Frauen stehen überhaupt im Mittelpunkt der Sendung. Braucht man heutzutage noch eine Frauenquote?
Ich habe zwei weibliche Gäste und einen männlichen Gast. Normalerweise überlegt man sich für eine Sendung, oh wir brauchen noch eine Frau. Eine langt dann aber auch. Das ist immer noch so. Wir wollten das Ganze mal umdrehen. In der Sendung sind wir Frauen in der Mehrzahl und das ist echt lustig. Die Männer sind auch total entspannt, weil sie der Hahn im Korb sind und nicht in Konkurrenz zu anderen Männern stehen.

Was sind denn im Kabarett und im echten Leben die Stärken der Frauen? Das fragt man doch Männer auch nicht. Man fragt doch nicht einen Michael Altinger und Christian Springer vom Schlachthof, wo ihre Stärken so liegen. Mich fragt man das aber permanent. Schaut’s Euch die Sendung an, dann wisst’s es!!!

Das Interview führte Sonja Ragaller